Im 19. Jahrhundert ein altes Waldschlösslein, in den 1970er Jahren dann zum Kurort für die Reichen und Berühmten der BRD umgebaut: Dort kurten deutsche Promis wie Liselotte Pulver, Harald Juhnke oder Gert Fröbe. In den Neunzigern kam der Verfall und das Sanatorium des Dr. Wiedemann war pleite. Auch weil in der angeschlossenen Klinik eine umstrittene Kälberblut-Kur angeboten wurde, die verjüngen sollte, allerdings zu einem handfesten BSE-Skandal führte. Heute ist der Ort eine Ruine, ein Lost Place voller unheimlicher Erinnerungen an eine einst glanzvolle Zeit. In den einstigen Luxuszimmern haben Jugendliche gewütet, überall liegen Glasscherben, der alte Swimmingpool ist voller Möbel, Ordnern mit Patientenakten und in den medizinischen Räumen wurden Spritzen, Infusionen und die besagten Kälberblutflaschen einfach zurückgelassen. Hier also nun Lunastrom - es klingt unmachbar.
Wir stapften, wie die Einstürzenden Neubauten so schön deklamierten, zunächst durch den Dreck bedeutender Metaphern (Verfall der alten BRD, Wandel der Medizin, Gesundheit vs. Wahnsinn) Meta, Meta für Meta. Das Lunastrom-Team hat zwei Wochen alleine nur aufgeräumt und Platz geschaffen für Installationen, die in diversen Zimmern zu bestaunen waren, wobei Fundstücke aus dem Sanatorium immer wieder integriert wurden: Eine 360 Grad-Installation wurde mit alten Anti-Urin-Bettlacken ausgelegt, jede Menge Spiegel in einer imposanten Installation zusammen gefasst, flimmernde Bilder auf gefundenen alten Röhrenfernsehern gezeigt, Patientenzimmer mit Ausstattung, die komplett weiß angemalt zum White Room umfunktioniert wurden und und und. Die Künstlerin Anna McCarthy führte als Dr. Wiedemann verkleidet durch den Wahnsinn und erklärte den beeindruckten und zum Teil auch verängstigten Gästen die unbekannte Welt. Im Saal und in einem Nebenraum wurde aufgelegt, im Keller umrahmt von einer mit Nebelinstallation dekorierten Wendeltreppe spielten Blue Haze wunderbaren Dreampop und die Musik sowie der Tanz vertrieb die Angst so mancher, denn der Ort hatte nicht nur wegen des modrigen Geruchs, sondern auch wegen der irrsinnigen Geschichte einen Lynchesken Beigeschmack: Surrealer Shoegaze, hallender Dreampop und zuckender Postpunk untermalte das Ganze.
SUBLIME hatte wieder die Ehre mitauflegen zu dürfen (Playlist und noch mehr Bilder hier) und wir diagnostizieren: Lunastrom, Du bist wahnsinnig! Wahnsinnig genial und wahnsinnig genug, diesen enormen Aufwand in nur eine magische Nacht zu stecken... Eine Jungbrunnen-Kur täte uns allen nun wohl gut, denn die Arbeit steckte allen Beteiligten in den Knochen, aber es hat sich gelohnt und wir sind gespannt, was da wohl als nächstes kommen mag... Fazit: Lunastrom sollte es auf Rezept geben!
Ayli kurt |
Miss Shapes & Mossman kuren |
http://sublime-music.blogspot.de/2016/06/lunastrom-im-sanatorium.html
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen