3/30/2013

KARL BARTOS

BUREAU B ist ein wunderbares Label, das nicht nur neuen Kraut wie der der großartigen Band CAMERA herausbringt, sondern auch alten Kraut wieder aufwärmt bzw. herausbringt. Und mit dem neuen Album des ehemaligen KRAFTWERK-Mitglieds KARL BARTOS ist ihnen ein Coup gelungen, denn man hört - in Teilen - nicht weniger als das Kraftwerk-Album, das man schon lange als Fan ersehnt hat. Kein Wunder, denn Bartos hat dafür in seinem Musikarchiv gewühlt, alte Skizzen herausgeholt und so klingen Songs wie "Atomium" oder "Rhythmus" wie lange verschollene Kraftwerk-Lieder. Mit "Binary Code" und "Music ex Machina" werden die Roboter aus der Vergangenheit zum tanzen gebracht. Andere Lieder wie "Without a trace of Emotion" erinnern eher an den Eighties-Dancefloor und leider sind auch ein paar etwas kitschige Synthienummern wie "International Velvet" auf dem Album zu finden, aber insgesamt beeinträchtigt dies die Freude an den glasklaren und minimalen Klängen nicht. Großartig ist im Übrigen auch das Coverdesign von "Off The Record", das in seiner Einfachheit zeitlos schön ist, wie viele alte Kraftwerk-Lieder, an denen Bartos mitgeschrieben hat: "Das Modell", "Spacelab", "Taschenrechner" oder "Computerliebe". Mit diesem Album beweist er, dass er nicht nur ein kleines Rädchen in der Menschmaschine war, sondern ein vollwertiger Roboter.


Lieblingslied: "Rhythmus" und "Atomium":

 

3/22/2013

LICHT ZUM STREICHELN: THE LIGHT SHOW LONDON

Es gibt Ausstellungen, in denen man sich in jedem einzelnen Raum Musik dazu wünscht: Laut und shpärisch. Wäre dieser Fakt noch bei der Londoner THE LIGHT SHOW hinzugekommen, dann hätte man in der Hayward Gallery getrost ein LUNASTROM oder SUBLIME abhalten können. Aber auch so bot sich dem Zuschauer einiges Beeindruckendes fürs Auge.

Die ausgestellten Illuminationen reichten von den Sechziger Jahren bis in die Gegenwart und boten so einen schönen Überblick über das Genre. Die bekanntesten Vertreter dürften dabei Dan Flavin sein, der mit seinen minimalen Installationen Weltruhm erlangte oder Olafur Eliasson, mit dessen spektakulären Strobo-Wasser-Gewitter der erleuchtende Abschluss der Ausstellung geboten wurde.

Am Beginn stand jedoch ein leises, glitzerndes rundes Modell von Leo Villareal namens "Cylinder" aus herabregnenden LEDs, das den Besucher empfing. Danach fanden sich Lichtsäulen, die wahrhaft zu atmen schienen. Man wurde durch Räume geschickt, die in strahlendes Blau, Gelb oder Rot getaucht waren und der Retina ein wahrhaftes Farbenmeer schenkten. In einem anderen mysteriösen Raum wurde man gebeten, Überschuhe aus Plastik anzuziehen und wunderte sich, was einen wohl darin erwarten würde: Die Antwort war wunderschön - ein Lichtkegel, der einen anstrahle und durch den leichten Kunstnebeleinsatz im Raum quasi gestreichelt werden konnte. Spätestens hier wünschte man sich tatsächlich ganz laut einen Slowdive-Song dazu hören zu dürfen.


Und so sah das Ganze dann zum Beispiel aus: Der nächtliche Garten des Herrn Eliasson:




Hier noch der Trailer mit einigen Exponaten, die auf Fotos nicht festzuhalten sind:






Und hier ein paar Beispiele, wie wir bei unseren Partys Licht und LED einsetzen.
Ein großes Danke hierfür an Pesi, Mossman und El...






3/18/2013

LOVE IS A SHIELD(S): MY BLOODY VALENTINE LIVE

Um das altehrwürdige Gebäude des Londoner Hammersmith Apollo windet sich eine beträchtliche Schlange von Menschen, die alle auf ein Ereignis warten: Nach 22 Jahren neue Songs der Shoegaze-Legende MY BLOODY VALENTINE live und laut zu hören. Im Inneren des wunderschönen alten Art-Deco-Theaters sind bereits an jeder nur erdenklich möglichen Stelle Zettel aufgeklebt, auf denen man eindringlich auf den kostenlosen Gehörschutz hingewiesen wird: "Earplugs are available everywhere!". Und auch die Vorband "Le Volume Courbe" fragt besorgt nach, ob auch ja jeder welche genommen hat. Zum zweiten Abend nacheinander sind also am 13.03.13 ca. 5.000 Menschen gekommen, sich eine düsenjetlaute Band anzuhören, die niemals einen kommerziellen Erfolg hatte, jedoch prägend für Generationen von Musikenthusiasten war. Dennoch fragt man sich unwillkürlich, ob die meisten auch nur ansatzweise ahnen, was sie hier erwartet. Die Meute vor der Bühne wohl schon, einige davon wild entschlossen, auf den Gehörschutz zu pfeifen und ihre Ohren der Kunst zu opfern. In den oberen Rängen sitzt eine bunt gemischte Menge von 16 bis 60 Jahren und starrt gebannt auf das dunkle Loch vor ihnen, als unter lautem Gejohle vier Musiker stumm die Bühne betreten und psychedelischem Farbengewitter ein Inferno lostreten, das kompromisslos fast zwei Stunden andauern soll.

Die vier Musiker stehen während des Konzerts solitär: Die für ewig jung wirkendende Gitarristin und Sängerin Belinda Butcher haucht bezaubernd vor sich hin, während neben ihr und in der Mitte Bassistin Debbie Goodge die Band in einer strengen Metal-Manier vorantreibt, hinter ihr liefert Schlagzeuger Colm Ó Cíosóig ein beeindruckend präzises Spiel ab, während rechts Perfektionist und Mastermind Kevin Shields hinter vier Monitorboxen und unzähligen Effektgeräten stoisch Schicht für Schicht seines typischen Gitarrenspiels aufbaut und wie in einem extra Kokon ein- und angespannt wirkt. Dieses Bühnengehabe passt natürlich zur Legende Shields, der angeblich hinter Stacheldraht abgeschirmt im Norden Londons mit 20 Chinchillas zusammenlebt, niemals ans Telefon geht und in seiner Exzentrik zu einer Art Howard Hughes des Shoegaze wurde. Zusammen erschaffen diese vier Personen jedoch ein ohrenbetäubend schönes Klangmeer, wie hypnotisiert starrt man auf das Geschehen unter einem, das so wenig Ähnlichkeit mit einem üblichem Popkonzert hat. Einige Witzbolde rufen nach dem lautstarken und verzerrten Opener "I Only Said" mutig "Louder" - Nun das konnten sie haben, denn mit einem ihrer schönsten Songs "When You Sleep" hob die Band die Lautstärke noch einmal an und der Raum vibrierte förmlich. Es folgt wie in einem Rausch ein komplexes Klanggewitter nach dem anderen, bei "Soon" hält es viele nicht mehr auf den Sitzplätzen und einige versuchen gar die Bühne zu stürmen. Davon unbeeindruckt spielt die Band anschließend mit "You made me realise" den Höhepunkt des Abends, der eindrucksvoll klar macht, dass man hier keine gefällige Band hört: zehn Minuten, in denen die Zeit wirklich still zu stehen scheint - zehn Minuten, die von Sekunde zu Sekunde lauter werden (130 dB, das entspricht der Schmerzgrenze. Zum Vergleich: Ein Flugzeugtriebwerk erzeugt 120 dB) - zehn Minuten voller kakaphonischem schleifenartigen Wahnsinn - zehn Minuten, in denen Schicht für Schicht mehr Lärm aufgetragen wird - zehn Minuten, in denen MY BLOODY VALENTINE beweisen, dass sie tatsächlich zeitlos sind. Im Publikum indessen verstörte, verzückte, verklärte Gesichter - ob sie wissen, dass sie gerade den extrem zerstörenden Teil des Songs überlebt hatten, den die Band intern "The Holocaust" nennt? Der Song geht fast nahtlos in eines der wenig gespielten neuen Lieder über: "Wonder 2" bildet den würdigen Abschluss eines wunderbar überfordernden verstörend schönen Konzertes.

Entgegen dem Namen ihres Meilenstein-Albums "Loveless" macht das Konzert bewusst, dass die einzigartigen Lieder von MY BLOODY VALENTINE in einer Parallelrealität voller Liebe, Geborgenheit und Wärme schweben - und ergriffen geht man nach dem Konzert mit dem Gedanken "Love is a Shield(s)" in die kalte klare Londoner Nacht.


SETLIST:



  • I Only Said
  • When You Sleep 
  • New You 
  • You Never Should 
  • Honey Power
  • Cigarette in Your Bed 
  • Only Tomorrow 
  • Come in Alone 
  • Only Shallow 
  • Thorn 
  • Nothing Much to Lose 
  • To Here Knows When 
  • Slow 
  • Soon 
  • Feed Me With Your Kiss 
  • You Made Me Realise 
  • Wonder 2